Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg
Eine Spurensuche
»Es gibt nur eine Sünde, die gegen die ganze Menschheit mit all ihren Geschlechtern begangen werden kann, und dies ist die Verfälschung der Geschichte«, wusste bereits vor über 150 Jahren der Dramatiker und Lyriker Friedrich Hebbel zu bekunden. Die Wahrheit dieser Feststellung aufzuzeigen, ist das Anliegen des Autors Friedrich Pfad, der sich in seinem Buch »Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg« der wohl folgenschwersten Geschichtsverfälschung widmet, die in der deutschen Nachkriegszeit erdacht, über Jahrzehnte hinweg ausgebaut und flächendeckend verbreitet wurde. Im Zentrum seiner Spurensuche steht das Lebenswerk von Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg sowie der von ihr mitgegründete und maßgeblich geprägte Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte«, den sie bis ins Jahr 1959 als Präsidentin leitete.
Leben und Wirken
Bereits in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts begann die Prinzessin von Isenburg ihr persönliches Fürsorgewerk »Stille Hilfe« für Häftlinge aufzubauen. So setzte sie sich auch während der Zeit des Dritten Reiches mutig für die Häftlinge im Konzentrationslager Dachau ein. Nach Kriegsausbruch korrespondierte sie in fürsorglicher und menschlicher Art – fern von Politik und Militarismus – mit deutschen Frontsoldaten. Diese Art war einer der Gründe, wenn nicht sogar der Hauptgrund, daß sie bereits in der Kriegszeit von den Soldaten oft als »Schwester«, »Tante« oder »Mutter« bezeichnet wurde und deshalb nach Kriegsende auch unter dem Namen »Mutter Elisabeth« Bekanntheit erlangte.
Als in der Nacht vom 6. zum 7. Mai 1945 Großadmiral Karl Dönitz in Reims die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte unterzeichnen ließ und auf Druck des sowjetischen Bündnispartners in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst eine Wiederholung der Kapitulationserklärung stattfand, wurde das Ende des Zweiten Weltkrieges besiegelt. Ab diesem Zeitpunkt begannen die Alliierten das in Deutschland installierte nationalsozialistische Machtgefüge mit Säuberungsaktionen zu zerschlagen und bereiteten in den ersten Nachkriegsmonaten die verbindlichen Grundlagen für die bevorstehenden Militärprozesse vor. Auf Grund dieser veränderten Situation verlagerte die Prinzessin von Isenburg ihre Tätigkeit mit ihrem persönlichen Fürsorgewerk »Stille Hilfe« und setzte sich in den ersten Nachkriegsjahren in Form von Briefen und Hilfspaketen – die vor allem aus Nahrungsmitteln und Kleidung bestanden – für die durch alliierte Streitkräfte inhaftierten Kriegsgefangenen und ihre Familien ein.
Als sich allmählich auch die Strafanstalten – vor allem in Landsberg, Wittlich und Werl – mit Personen füllten, die insbesondere wegen Verstößen gegen das »Kontrollratsgesetz Nr. 10« (»Verbrechen gegen den Frieden«, »Kriegsverbrechen« und »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«) durch westalliierte Militärgerichte abgeurteilt wurden, erweiterte sie ihren Aktionsradius auch auf diesen Bereich, der schnell einen großen Teil ihrer Arbeit einnahm.
Da die Prinzessin von Isenburg ihre Tätigkeit bis ins Jahr 1950 noch im »Stillen« führte, war sie der Öffentlichkeit so gut wie nicht bekannt, obwohl sie bereits zu dieser Zeit mit Kriegsverurteilten und -gefangenen sowie deren Familien und auch mit Persönlichkeiten aus Politik, Religionsgemeinschaften, Verbänden, Militär und Wirtschaft korrespondierte. Sie bemühte sich besonders um finanzielle als auch materielle Spenden, damit den oft in gänzlicher Mittellosigkeit lebenden Menschen geholfen werden konnte.
Ihr Bekanntheitsgrad nahm rasch zu, als die amerikanische Militärregierung die Vollstreckung der noch ausstehenden 28 Todesurteile in Landsberg ankündigte. Aus ihrem Nachlass geht hervor, wie ausdauernd und unbeugsam sie und das zur »Stille Hilfe Gemeinschaft« herangewachsene Fürsorgewerk sich seit dem Herbst 1950 für die Todgeweihten einsetzten. Sie unterließ keine Möglichkeit, die Vollstreckung der Todesurteile zu verhindern. Die dadurch resultierende Medienpräsenz führte zu einer rasant steigenden Bekanntheit, sodass sie – nachdem in Landsberg von den 28 Männern sieben ihr Leben unter dem Galgen verloren hatten – am 7. Oktober 1951 gemeinsam mit neun weiteren Personen den Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte« gründete. Dabei war ihr von besonderer Bedeutung, daß der Grundsatz der christlichen Nächstenliebe, dem sie stets folgte, auch im Verein fortbestehen muss. Diesem wurde in der Vereinsarbeit, zumindest bis zu ihrem Ausscheiden als Vereinspräsidentin im Jahr 1959, Folge geleistet. Was in der Zeit danach aus dem Verein wurde, bleibt insofern unbeachtet, da dieser durch einen Führungswechsel in die zweite Generation überging und die Prinzessin von Isenburg auf dessen weitere Entwicklung keinen Einfluss mehr hatte.
Die Grundsteinlegung der SED-Geschichtsverfälscher
Im Jahr 1961 beschäftigte sich der DDR-Historiker und SED-Erfüllungsgehilfe Heinz Kühnrich im Buch »Judenmörder Eichmann – Kein Fall der Vergangenheit« unter dem Kapitel »Die ›Stille Hilfe‹« mit der Prinzessin von Isenburg und dem Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte«. Er kam dabei zu der diffamierenden Schlussfolgerung, daß es sich bei der Prinzessin von Isenburg bereits rein optisch um eine nicht sehr ansehnliche Person gehandelt hat. Darüber hinaus legte er mit seinen Ausführungen den vergangenheitspolitischen Grundstein für eine über Jahrzehnte andauernde Geschichtsverfälschung. So war die Prinzessin von Isenburg für ihn eine überzeugte Nationalsozialistin und der Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte« leistete seiner Ansicht nach Fluchthilfe für sogenannte NS-Verbrecher. Dies führte Kühnrich zu der Überzeugung, daß es sich beim Verein um eine »neofaschistische Untergrundorganisation« gehandelt haben muss.
Die Geschichtsverfälscher der VVN-BdA
Im Jahr 1981 fanden die Prinzessin von Isenburg und der Verein wieder Erwähnung, und zwar in dem weitgehend ohne nachprüfbare Quellenangaben aufgebauten Buch »Geheime Kanäle – Der Nazi-Mafia auf der Spur« der Journalisten Jürgen Pomorin, Reinhard Junge und Georg Biemann, die dafür auch Unterstützung von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) erhalten haben. Darin wiederholten sie Kühnrichs Mutmaßung, daß die Prinzessin von Isenburg und der Verein im Verborgenen und somit im »Untergrund« agiert sowie aktiv NS-Fluchthilfe betrieben haben sollen.
Mit den gleichen substanzlosen Behauptungen wurde im Jahr 2001 das Gemeinschaftswerk »Stille Hilfe für braune Kameraden – Das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis« des Journalisten Oliver Schröm (Mitbegründer der CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft gemeinnützige GmbH) – unter Mitarbeit seiner Kollegin Andrea Röpke (»Fachjournalistin« im Themenbereich Rechtsextremismus und »Aufklärerin« des sogenannten nationalsozialistischen »Untergrundes« [vgl. Begriffserklärung »Untergrund« von Ulrich Weißgerber, »Giftige Worte der SED-Diktatur«, S. 353f.; Verweis: GoogleBooks]) veröffentlicht. Auch diese Publikation wurde erneut mit wohlwollender Unterstützung eines Ablegers der VVN-BdA – bis zur Deutschen Wiedervereinigung durch die DDR finanziert und von der SED sowie DKP gesteuert – erstellt und über einen ehemaligen DDR-Verlag öffentlichkeitswirksam in Umlauf gebracht. Es handelt sich hierbei um den CH. Links Verlag, der von Christoph Links – ehemaliger Assistent der Geschäftsleitung des SED-nahen Aufbau-Verlages – im Jahr 1989, also während der Auflösungsphase der DDR, gegründet wurde.
Die BRD-Historiker als vergangenheitspolitische Erfüllungsgehilfen
Während sich in der DDR der marxistische Historiker Heinz Kühnrich bereits früh mit dem Themenkomplex auseinandersetzte, beschäftigte sich die Wissenschaft im Machtgefüge der BRD bis zur Deutschen Wiedervereinigung nur rudimentär mit der Prinzessin von Isenburg und dem Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte«. Eine mögliche Erklärung dafür ist die damals herrschende politische Spannungslage zwischen den beiden Teilstaaten. So wurde seitens der DDR-Protagonisten wiederholt zum verbalen Schlag gegen die »Bonner Republik« ausgeholt. Auch Kühnrich zählte zu diesem feindlich gesinnten Kreis, dessen Einstellung gegenüber der BRD in dem bezeichnenden Kapitel »Über den Sieg Hitlers bei Bonn« seines 1961 erschienenen Buches »Judenmörder Eichmann – Kein Fall der Vergangenheit« deutlich wird.
Zu den ersten BRD-Historikern, die sich nach der Deutschen Wiedervereinigung mit der Prinzessin von Isenburg und dem Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte« auseinandergesetzt haben, zählen zwei Männer, die heutzutage zu den renommiertesten Geschichtswissenschaftlern in der BRD zählen. Es handelt sich hierbei um Professor Ulrich Herbert, der in seinem 1996 erschienenen Buch »Best – Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903-1989« die substanzlose Behauptung aufgestellt hat, daß es sich beim Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte« um ein extrem-nationalistisches Hilfswerk gehandelt habe. Auch sein Berufskollege Professor Norbert Frei stellte in seinem 1996 veröffentlichten Buch »Vergangenheitspolitik – Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit« die vollkommen substanzlose und diffamierende Behauptung auf, daß es sich bei der Prinzessin von Isenburg um eine Person gehandelt hat, bei der sämtliche Sicherungen durchgebrannt waren.
In weiteren relevanten wissenschaftlichen Publikationen – erschienen zwischen 2004 und 2018 – der BRD-Historiker Bernhard Brunner, Thomas Kühne, Thomas Raithel, Jens Westemeier, Michael Wildt und Felix Bohr wurde auch das Blendwerk »Stille Hilfe für braune Kameraden – Das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis« berücksichtigt und somit in die vermeintlich »wissenschaftliche Sphäre« erhoben. Dadurch gelang es der DKP- und SED-gesteuerten VVN-BdA, mithilfe der Autoren Röpke und Schröm, die seit Jahrzehnten in Umlauf gebrachten Falschinformationen in die BRD-Geschichtsschreibung zu verankern.
Der späte Sieg der SED
Die in Umlauf gebrachten falschen Behauptungen über die Prinzessin von Isenburg und den von ihr mitgegründeten Verein »Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte« weisen bemerkenswerte Parallelen auf und führen unweigerlich zu dem Verdacht, daß sich ein Netzwerk hinter dieser Entwicklung verbergen muss, dessen Wurzeln in der DDR liegen. Diesem scheint es in den darauffolgenden Jahrzehnten offensichtlich gelungen zu sein, den eigenen Einflussbereich erfolgreich bis in die BRD ausweiten zu können, um dadurch eine Verankerung der Verfälschungen als ein Bestandteil des neuen gewünschten Geschichtsbewusstseins innerhalb der BRD zu erreichen. So wurden von diesem politisch motivierten Netzwerk engagierte Aktivisten aus dem Umfeld der VVN-BdA rekrutiert, die bis heute unter dem Deckmantel der Wissenschaft und des Journalismus als vergangenheitspolitische Erfüllungsgehilfen an dieser Verfälschung beteiligt sind und demnach auch unter dem Terminus »Marxistisch-Sozialistischer Untergrund« (MSU) zusammengefasst werden können.
Anhand der politischen Herkunft der VVN-BdA scheint es somit nachvollziehbar, daß sich der Personenkreis dieses Unterstützungsnetzwerkes vornehmlich aus linksextremen Aktivisten zusammensetzt, die mit dem SED-Gedankengut bestens vertraut sind. Zu diesem Personenkreis gehören Bundestagsabgeordnete der SED-Fortsetzungspartei DIE LINKE, darunter Dr. Gregor Gysi, Dr. Diether Dehm, Tobias Pflüger, Ulla Jelpke, Dr. Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch, Sevim Dağdelen, Martina Renner und Helin Evrim Sommer. Weitere wohlwollende Unterstützung erhält die VVN-BdA zwischenzeitlich auch von Bundestagsabgeordneten der Partei Bündnis 90/Die Grünen – wie Markus Kurth und Friedrich Ostendorff – sowie von Bärbel Bas und Bernhard Daldrup von der SPD. Diese – wenn auch nicht vollständige – Aufzählung lässt erkennen, daß es der bis 1989 durch die DDR finanzierte VVN-BdA gelungen ist, sich einen breiten Kreis an Unterstützern und Mitgliedern aufzubauen, der bis in die scheinbar gemäßigte linke Parteienlandschaft reicht.
Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß der BRD-Historiker Dr. Felix Bohr in seinem 2018 erschienenen Buch »Kriegsverbrecherlobby – Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter« die Ansicht vertritt, daß der Verlauf der westdeutschen Nachkriegsjahre nur verständlich ist, wenn man die »Bonner Republik« als zweite Generation eines nationalsozialistischen Machtgefüges versteht. Mit dieser Ansicht gehört er streng genommen dem »geschichtswissenschaftlichen« Personenkreis zugeordnet, zu dem auch der marxistische Historiker Heinz Kühnrich gezählt werden kann. Denn bereits im Jahr 1961 wusste Kühnrich – im Bewusstsein der Erwartungshaltung der SED – von einer »zunehmenden Faschisierung und Militarisierung« der BRD zu berichten und schlussfolgerte daraus, daß »Rassenhaß, antisemitische Mordhetze, Chauvinismus und revanchistische Drohungen […] wieder zum Bestandteil der Bonner Politik geworden« sind. Folglich eint die beiden – auf den ersten Blick doch grundverschiedenen – Historiker die Überzeugung, die »Bonner Republik« sei eine Wiedergeburt des Nationalsozialismus und als dessen zweite Generation zu verstehen.
Die Installierung einer marxistisch-sozialistischen Erziehungsdiktatur
Betrachtet man die Methodik dieser MSU-Drahtzieher, kristallisieren sich beachtliche Parallelen zwischen der Vorgehensweise der heutigen BRD-Politelite gegenüber derjenigen der SED während den ersten Nachkriegsjahren heraus. So untersuchte Professor Alexander von Plato in seinem Beitrag »Zur Geschichte des sowjetischen Speziallagersystems in Deutschland« den Einfluss der SED-Genossen auf die Waldheimer Prozesse, denen viele unbescholtene Menschen wegen vermeintlicher »Kriegsverbrechen« und »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zum Opfer fielen. Dabei setzte die SED-Elite bereits damals auf einen staatlich verordneten Antifaschismus, der auch den politischen Alltag maßgeblich mitgestaltet hat. Welche Auswirkungen sich daraus ergaben, fasste von Plato wie folgt zusammen:
In dieser Politik konnte die Führung auf eine gewisse Unterstützung in ihrem weiteren Führungskorps rechnen, da es um Nazis ging, die so offensichtlich Menschenrechte mit Füßen getreten hatten, daß bürgerliche Rechtsformen außer Kraft gesetzt werden konnten – auch dann, wenn man im Einzelfall nicht so genau strafbare Handlungen nachweisen konnte. Dies scheint eine selbstverständliche Haltung in der SED und ihrer dünnen »Kaderdecke« aus Emigranten, politischen Gegnern des NS-Regimes und Repräsentanten früherer politischer Parteien aus der Weimarer Republik gewesen zu sein – vermutlich war sie Teil des Wunsches nach einer »Erziehungsdiktatur« gegenüber den Deutschen, die sich den Nazis gegenüber als anfällig oder schwach erwiesen hatten.
(Quelle: Alexander von Plato, »Zur Geschichte des sowjetischen Speziallagersystems in Deutschland«, Einführung, in: Sergej Mironenko; Lutz Niethammer (Hrsg.), Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950, 2 Bde., Berlin, 1998, 1. Bd.: Alexander von Plato (Hrsg.), Studien und Berichte, Berlin, 1998, S. 19-75, hier: S. 73.)